HOLZ IN HOCHFORM

Prof. Dr.-Ing. Peer Haller
Institut für Stahl- und Holzbau
Lehrgebiet Ingenieurholzbau und baukonstruktives Entwerfen
TU Dresden | Helmholtzstr. 10 | D-01069 Dresden
www.tu-dresden.de

Den Beitrag, den Holz zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten kann, wird entscheidend davon abhängen, in welchem Umfang unsere Aufgaben damit wirtschaftlich und qualitativ befriedigend gelöst werden können. Dazu muss er auch heutigen und künftigen Anforderungen gewachsen sein.

Der Wald ist weltweit nicht nur einer der größten, sondern auch einer der billigsten Stoffproduzenten, der auf einem Drittel der Fläche unseres Landes mit Hilfe von Sonnenenergie nachwächst, aber preislich von Materialien unterboten werden kann, zu deren Herstellung erhebliche Mengen fossiler Energie benötigt werden. Welche Nachteile der Verwendung von Holz in technischen Anwendungen müssten sich beseitigen lassen. Es sind:

1. das kleine Festigkeitsspektrum im Vergleich zu den Strukturwerkstoffen 2. die Richtungsabhängigkeit der mechanischen Eigenschaften 3. die geringe Dauerhaftigkeit gegenüber der Witterung

Dicht, dichter, am dichtesten
Holz hat ein sehr ausgewogenes Eigenschaftsprofil, wird jedoch in nahezu allen Merkmalen von „Spezialisten“ übertroffen. Unumschränkt sind Umweltfreundlichkeit und geringer Preis. Die zentralen mechanischen Kennwerte bei tragenden Strukturen hängen weitgehend von der Dichte und Wachstumsstruktur ab. Der Vergleich von Bauholz mit faserparallelem Holz ohne Äste und Wuchsunregelmäßigkeiten fördert über den zwischen unterschiedlichen Holzarten bestehenden Unterschied nochmals beträcht liche Differenzen zutage. Das ungenutzte Festigkeitspotenzial beläuft sich insgesamt auf reichlich eine Größenordnung.

Das Verdichten von Holz, vornehmlich Laubholz, unter Wärme und Druck ist in der Holztechnologie seit langem bekannt. Nach Erreichen der Erweichungstemperatur des Lignins kann unter einer Presse verdichtet werden. Durch diese thermomechanische Behandlung lassen sich Festigkeit und Steifigkeit proportional zur Verdichtung steigern. Die weitere Erhitzung über 200 °C bewirkt außerdem eine Zunahme der biologischen Resistenz, so dass mit der Wärme zwei wesentliche Eigenschaften, nämlich Festigkeit und Dauerhaftigkeit, tangiert werden.

Vom Stamm zum Querschnitt
Das Sägewerk liefert einen rechteckigen Kantholzquerschnitt, der im Gegensatz zu technischen Profilen aus Metall oder Kunststoff zusammen mit dem Abfall durch Sägen eine geringe Materialeffizienz aufweist - Wettbewerbsfähigkeit geht bei der Transformation des Rohholzes in Querschnitte verloren. Es müssen daher die Möglichkeiten der Materialeinsparung bei der Querschnittsbildung ausgelotet werden.

Die Sägereitechnik ist erster Prozessschritt bei der Bereitstellung von Querschnitten und favorisiert mit Blick auf die Ausbeute „eindimensionale“ Baumarten, was im Zuge von Wiederaufforstungen den Nadelhölzern, insbesondere der Fichte, den Vorzug gegenüber standorttypischen Laubholzarten, wie zum Beispiel Eiche oder Buche mit ihren weitverzweigten Kronen, gegeben hat. Holz gilt als leicht zu bearbeitendes Material, erfolgt die Transformation des Rohholzes zum Querschnitt doch ausschließlich durch spanende Verfahren und späteres Fügen mit synthetischen Bindemitteln. Kenntnisse der Mikrostruktur werden nicht benötigt. Hier liegen über die Querschnittsbildung hinaus Potenziale für neue Verfahren und Produkte, denen bisher in Wissenschaft und Technik wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Intuitiv verbinden wir mit hoher Festigkeit die besondere Eignung für tragende Anwendungen. Ist ein Werkstoff nur halb so fest, verdoppeln sie dessen Querschnittsfläche - und zwar höchstens verdoppeln, denn bei den Flächenmomenten geht der Abstand des Querschnittes zur neutralen Faser in der Potenz ein. Daher lässt sich die Dimensionierung von Bauteilen auch leichter über die Abmessungen des Querschnittes als durch die Wahl der Festigkeitsklasse vornehmen. Das Selbstverständnis des runden oder rechteckigen Vollquerschnittes im Holzbau verstellt den Blick auf dessen geringe Ressourcenproduktivität. (s. Abb 5) Da das Holz nur mittelbar über den Querschnitt wirksam ist, muss es dort nach mechanischen Überlegungen optimal angeordnet werden und dabei drei Voraussetzungen erfüllen: 1. Der Querschnitt darf nicht durch die Abmessungen des Baumes in Quer- oder Längsrichtung begrenzt sein, 2. er muss effizient sein, das heißt, bei gegebenem Flächeninhalt ein großes Flächenmoment aufweisen, und 3. er muss in großen Mengen billig produziert werden können. Das tun weder Kanthölzer noch verleimte Hölzer, Erst das in den Abbildungen 6 und 7 gezeigte Formholzprofil, dem ein neues Werkstoffverständnis zugrunde liegt, erfüllt potenziell alle drei Forderungen.

Holz in Hochform
Technologisch gesehen beruht das Bauen mit Holz auf zwei Grundprozessen: dem Trennen – also Sägen, Hobeln, Zerfasern etc. – und dem späteren Fügen durch synthetische und metallische Binde- bzw. Verbindungsmittel, was vielfältigste konstruktiven Möglichkeiten ergibt.

Das in der Bundesrepublik vorherrschende Nadelholz weist ein Porenvolumen von ca. 60 % auf. Seine polymere Zusammensetzung gestattet bei einer Temperatur von 140 °C und einem Druck von 5 MPa eine leichte plastische Formgebung quer zur Faser. Die Querschnittsabmessung kann dabei auf etwa die Hälfte reduziert werden (siehe Abb. 1), wobei sich die Mikrostruktur des Holzes zusammenfaltet. Von nicht geringerer Bedeutung ist die Feststellung, dass die Stauchung ohne Schädigungen der Mikrostruktur bei geeignetem Prozessregime wieder nahezu vollständig rückgängig gemacht und fixiert werden kann. Der große Porenanteil führt somit zu einer völlig neuen Betrachtungsweise des Holzes als schaumstoffartiges, zelluläres Gebilde, das nun tatsächlich zu einem sehr leicht zu verarbeitenden Material wird. Auf diese Weise erhöht sich die Bruchdehnung in Faserquerrichtung von einem auf 100 %, also um zwei Größenordnungen. Nadel- und Laubhölzer sind dafür gleichermaßen geeignet.

Ausgehend von diesen Überlegungen wurden am Institut für Stahl- und Holzbau Platten aus Pressholz geleimt, deren Verdichtungsrichtung in Plattenebene verläuft. Im nachfolgenden Formprozess wird die Stauchung unter Zufuhr von Wärme und Feuchtigkeit zur Herstellung prismatischer Querschnitte genutzt, wobei die Zellen vollständig wieder auseinander gefaltet werden. Der Krümmungsradius der Umformung hängt von der vorherigen Verdichtung ab. Prinzipiell sind auf diese Weise alle offenen und geschlossenen prismatischen Querschnitte in beliebiger Länge herstellbar. Nach diesem mittlerweile patentierten Verfahren wurden bereits mit Erfolg Rohre mit tragwerksnahen Abmessungen gefertigt. Abb. 6 zeigt eine Verfahrensvariante, die von Rundholz ausgeht, welches zunächst verdichtet wird. Das Auftrennen in Richtung der maximalen Dichte und das anschließende Verleimen führen zu einer massiven Platte, die auf thermo-mechanischen Wege in ein Rohr überführt werden kann. Die auf das Rundholz bezogene Materialeinsparung beläuft sich auf etwa 80 %!, wobei 50 % aus der Abfallvermeidung in der Sägerei resultieren und die weitere Einsparung mit der effizienten Anordnung im Profil erzielt wird.

Faden begegnet Faser
Während sich die Tragfähigkeit von Holz durch Sortierung sowie thermische bzw. thermo-mechanische Verfahren verbessern lassen, begegnet man der Richtungsabhängigkeit der Festigkeit mit unterschiedlichen konstruktiven Maßnahmen.

Festigkeit und Steifigkeit können im Zuge der Querschnittsdimensionierung in Längsrichtung sehr wirksam kompensiert werden, hingegen stellen die Schub- und Querbeanspruchungen selbst erfahrene Tragwerksplaner immer wieder vor Probleme. Am Vorbild der Natur orientiert sich die Technik der faserverstärkten Kunststoffe. Im Rahmen des SFB 528 „Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung“ werden auch die Grundlagen zur textilen Verstärkung von Holzbauteilen erarbeitet. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem Institut für Textil- und Bekleidungstechnik ermöglicht die Verstärkung mit form- und beanspruchungsgerechten textilen Bewehrungen aus Glas-, Kohle-, Aramid- und Naturfasern, die anschließend mit synthetischen Harzen aufgebracht werden. Die vollflächige Bewehrung ganzer Bauteile in Verbindung mit Oberflächenbehandlungen des Leichtbaus stellt neben der statischen Verstärkung auch einen wirksamen konstruktiven Schutz gegenüber der Witterung dar. Dies ist ein entscheidender Vorteil nicht nur bei Feuchtigkeit sondern auch in Hinblick auf korrosive Umgebungen.

Fazit
Mit den vorliegenden Entwicklungen werden alle Schwachstellen der gegenwärtigen technischen Verwendung von Holz aufgegriffen. Die Neuerungen betreffen alle Anwendungen, für die ein Querschnitt benötigt wird. Dies können tragende Bauteile des Bauwesens wie Stützen und Träger, sowie des Leicht- und Anlagenbaus sein, aber auch nichttragende Teile des Möbel- und Ausbaus. Darüber hinaus sind Gegenstände mit geschlossenem und offenem prismatischen Querschnitt ausführbar wie zum Beispiel Kabeltrommeln, Masten, Fässer, Behälter, Rotorblätter, Rümpfe etc..

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